Der Begriff Digitales Marketing umfasst die Planung, die Realisierung und die Kontrolle sämtlicher Marketingaufgaben unter Einsatz von digitalen, d.h. computerbasierten Systemen oder Hilfsmitteln. Das Kunstwort „Digitales Marketing” ist ein Sammelbegriff, der eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben, Instrumente und Methoden im Marketing unter Bezugnahme auf das gemeinsame Hilfsmittel, die eingesetzte digitale Technologie, zusammenfasst. Die Disziplin als Querschnittsfunktion zwischen Digitaltechnologie und Marketinganwendung benötigt zum optimalen Einsatz Erkenntnisse, Verfahren und Methoden aus beiden Welten.
2. Strukturierung des Erkenntnisobjektes Die differenzierte Darstellung des Digitalen Marketing in seiner Struktur und seiner Zielsetzung zeigt die unterschiedlichen Facetten des Begriffs. Als Querschnittsfunktion unterstützt das Digitale Marketing alle Stufen, Funktionen und Prozesse des Marketing mit Hilfe der digitalen Technologie. Die Digitalisierung von Marketingprozessen kann in Abhängigkeit vom Anwendungsgebiet strukturell differenziert betrachtet werden:
(1) Digitales Marketing nach dem Wirkungsbereich: Digitales Marketing mit einer nach innen gerichteten Wirkung und Digitales Marketing mit Aussenwirkung.
(2) Digitales Marketing nach den verschiedenen Märkten: Digitales Marketing auf Absatzmärkten und Digitales Marketing z.B. auf Beschaffungs- oder Personalmärkte.
(3) Digitales Marketing in den Phasen des Marketingprozesses: Digitale Marketingplanung (Strategie), Digitale Marketingkonzeption, Digitalisierung der Marketingrealisierung und des Marketingcontrollings.
(4) Digitales Marketing beim Einsatz der einzelnen Marketinginstrumente: In der Marktforschung, der Produktpolitik, der Distributionspolitik, der Preispolitik und der Kommunikationspolitik.
(5) Digitales Marketing vor dem Hintergrund der betriebswirtschaftlichen und marketingorientierten Zielsetzung: Marketing Information, Marketing Automation, Marketing Entscheidungsunterstützung. Der Grad der Digitalisierung der einzelnen Anwendungsbereiche kann dabei folgende Ausprägungen annehmen:
(1) Die vollkommene Unterstützung der Marketingaufgaben durch die Systeme des Digitalen Marketing (z.B. Data Warehouse, OLAP).
(2) Die Unterstützung oder Ersetzung traditioneller Marketingaufgaben durch Systeme des Digitalen Marketings (z.B. E-Commerce im Bereich der Distribution).
(3) Die Neudefinition von Marketingaufgaben unter Einsatz von digitalen Systemen wie z.B. Data Mining.
3. Zieldimensionen des digitalen Marketing So vielfältig wie die Ansätze zur Strukturierung des Digitalen Marketing sind, so unterschiedlich können auch die Zielsetzungen sein, die mit dem Digitalen Marketing verfolgt werden:
(1) Digitales Marketing zur Vereinfachung von Prozessen bzw. zur handhabbar Machung von Daten(mengen) z.B. im Bereich Marketing Automation oder Databased Marketing.
(2) Digitales Marketing zur Verbesserung der Qualität und der Quantität der benötigten und verfügbaren Informationen (z.B. Data Warehouse, Data Mining).
(3) Digitales Marketing zur Ausschöpfung von Kosteneinsparungspotentialen (z.B. Computer Aided Selling, E-Commerce).
(4) Digitales Marketing als Möglichkeit zur Erschliessung neuer Marktpotentiale, indem marketingpolitische Instrumente zielspezifischer eingesetzt werden können und Marktsegmente adressierbar werden, die bislang unprofitabel oder unerreichbar waren.
(5) Digitales Marketing zur Beschleunigung von Marketing- und Unternehmensprozessen z.B. in der computergestützten Marktforschung oder bei Managementinformationssystemen.
(6) Digitales Marketing zur Schaffung von integrierten Systemen, die eine grössere Transparenz von Markt- und Unternehmensdaten ermöglichen.
(7) Digitales Marketing als Handlungsmaxime, Methode und Mittel auf digitalen Marktplätzen.
4. Technologien des Digitalen Marketing Für die Anwendungen im Marketing ist es irrelevant, bei der Betrachtung der einzelnen Lösungen zwischen Hardware und Software
zu unterscheiden. Wichtig ist im vorliegenden Zusammenhang die
Problemlösungskompetenz der einzelnen Anwendungen, seien sie nun primär
hardware- oder softwarebasiert. Computerbasierte Systeme gibt es für vielfältige Anwendungen im Marketing, z.B. Computergesteuerte Auftragsüberwachung, Telefonmarketing, Multimediale Kommunikationsinstrumente, Digitale Absatzkanäle (z.B. E-Commerce), Aussendienststeuerung, Absatzprognose/Marktforschung, Integrierte Warenwirtschaftssysteme, Marketinginformationssysteme, Entscheidungsunterstützungssysteme u.v.m. Für die strukturierte Betrachtung der marketingrelevanten Computersysteme werden die einzelnen Anwendungen im Rahmen des Marketingmanagement-Prozesses in folgende Kategorien klassifiziert:
(1) Systeme zur Erfassung von Marketingdaten bzw. Marktdaten,
z.B. mobile Erfassungsgeräte für Marktforscher im Feld, Digitale
Kameras zur Aufzeichnung von Kundenreaktionen, Apparative Messverfahren
z.B. zur Messung der Werbewirkung,
CRM-Systeme zur Erfassung der Kundendaten und des Kundenlebenszyklus.
Neben Sensortechnik für die Messung von Probanden-/Kundenreaktionen
spielen hier vor allen Dingen die Speicherkapazitäten und
Aufzeichnungsmöglichkeiten sowie die Datenübermittlungs- bzw.
Datentransferfähigkeiten eine grosse Rolle.
(2) Systeme zur Weiterbearbeitung und gemeinsamen Bearbeitung von
Marketingdaten. Die einfachsten und gängigsten Systeme sind hier die
weit verbreiteten Office-Programme (Office Anwendung). In diesem Zusammenhang sind allerdings auch die DTP-Programme zu nennen, die ebenfalls zur Visualisierung
und Verbreitung der Marketingdaten verwendet werden. Gängige
Groupware-Systeme bieten den gemeinsamen Zugriff z.B. auf Kundendaten
für alle Marketingmitarbeiter an. Dokumenten- und
Workflowmanagementsysteme standardisieren den Arbeitsprozess im Marketing.
Spezialprogramme z.B. zur Sicherstellung der Adressqualität
(Dublettenfilterung, Datenanreicherung/-vervollständigung etc.) werden
in der Regel zur Bearbeitung der Kundendaten eingesetzt.
(3) Systeme zur Verarbeitung von Marketingdaten. Eine sehr wichtige Voraussetzung in diesem Zusammenhang ist die Kundendatenbank bzw. das CRM-System. Die Kundendaten sind sehr häufig die Basis, auf der die weiteren Verarbeitungsprozesse im Marketing
aufsetzen. Ein Beispiel für die Weiterverarbeitung der Marketingdaten
ist z.B. das Direktmarketing. Aber auch Data Mining setzt auf der
Weiterverarbeitung von Marketingdaten z.B. aus den Kassensystemen auf.
(4) Systeme zur Speicherung und Auswertung von Marketingdaten. Das primäre Medium zur Speicherung von Marketingdaten sind Datenbanken,
die man in diesem Anwendungsfall als Marketingdatenbanken bezeichnen
kann. Dies können z.B. Kunden- und Produktdatenbanken sein. Zentrale
Aufgaben der Marketingdatenbanken sind die Speicherung von
Marketingdaten aus unterschiedlichen Quellen, die Verfügbarmachung des
zentralen Datenbestandes für alle relevanten Nutzer, die dauerhafte
Zurverfügungstellung der Informationen, die Verknüpfung der
Informationen je nach Fragestellung und die einfache Handhabung der
Informationsabrufe bzw. der Informationsweiterverarbeitung.
Anwendungen, die schwerpunktmässig die Auswertung von Marketingdaten
unterstützen, sind zunächst die Statistiksoftwarepakete, die vor allen
Dingen in der Marktforschung angewendet werden. Immer häufiger finden
sich allerdings Business-Intelligence-Systeme im Ein satz, die die
Marketingdaten mit verschiedenen anderen Datenquellen verknüpfen und
durch elaborierte Analysen erweiterte Erkenntnisse ermöglichen.
(5) Systeme zur Unterstützung von Marketingentscheidungen. Im Marketing existieren eine Reihe von Informationssystemen, die man unter folgenden Begriffen wieder findet: Managementinformationssysteme, Marketing-Informationssysteme, Absatzinformationssysteme, Kundeninformationssysteme oder Computer Aided Selling.
(6) Endkundensysteme in Marketingkommunikation und Verkauf.
Es gibt die unterschiedlichsten Endkundensysteme, die entweder zum
Zweck der Waren- und Unternehmenspräsentation oder zum direkten Verkauf
eingesetzt werden. Die innovativsten computergestützten Systeme werden
heute unter dem Schlagwort Multimedia zusammengefasst
5. Interne Informationsquellen des digitalen Marketing Betrachtet man das Digitale Marketing
hinsichtlich der organisatorischen Einheiten in den Unternehmen stellt
man fest, dass fast alle Unternehmensbereiche von den
Digitalisierungsprozessen betroffen sind und Informationen für das
Digitale Marketing liefern bzw. Informationen aus dem Digitalen Marketing beziehen. In der Folge seien einige Beispielanwendungen genannt:
(1) Marketing & Vertrieb: Produktinformation auf CD-ROM oder für Online Stores, Presseinformation im Netz, Digitale Produktkataloge, Preislisten-Updates, Auftragsbearbeitung in integrierten Systemen, Online-Promotion, virtuelle Messen, Datenbasis für Marketinginformationssysteme.
(2) Marktforschung: Laufende Wettbewerbsbeobachtung im Internet, Systematische Kundendatenanalyse, Online-Erhebungen, User-Tracking im Internet, CATI, digitale Sekundärmarktforschung.
(3) Verwaltung: Archive der Unternehmensdaten z.B. Finanzbuchhaltung, Controlling mit Hilfe computerbasierter Systeme, digitale Projektkalkulationen, Online-Projektplanung u. -überwachung, integrierte Auftragsbearbeitung.
(4) Beschaffung: Online-Bestellformulare, digitale Bestellüberwachung, Computergestützte Lieferanten- und Produktverwaltung, Elektronische Ausschreibungen.
(5) Forschung & Entwicklung: CAD-Daten, Entwicklungsbibliotheken, Simultanious Engineering, Virtuelle Projektteams, Technische Dokumentation.
(5) Produktion: Lagerverwaltung, Verfügbarkeitsprüfung, Fertigungssteuerung, Auftragsverfolgung, Betriebsdatenerfassung, Produktionsplanung und —steuereng (PPS).
(6) Kundendienst: Online-Problemmeldung, Remote-Fehlerbeseitigung, Wartung und Diagnose via Netzwerk, Beschwerdemanagement/Customer Care, Trouble-Shooting-Datenbank
(7) Personalwesen: Online-Stelleninformation und -Bewerbung, elektronische Personalakte, eLearning, Computergestütztes Vorschlagwesen, Mitarbeiterinformationen im Intranet.
6. Anwendungsgebiete des Digitalen Marketing im Rahmen der Marketingpolitik Wählt man einen Teilbereich des Digitalen Marketing
aus und betrachtet die dort möglichen Anwendungen, so zeigt sich sehr
schnell, wie breit die Unterstützungs-, Substitutions- und
Innovationspotentiale durch Digitales Marketing sind. Es sollen in der Folge exemplarische Anwendungen in den einzelnen Marketingdisziplinen aufgeführt werden:
(1) Markt-/Marketingforschung: Computergestützte Befragungen, Online-Marktforschung, Online-Panel, Experten-Focus-Groups online, Computergestützte Prognosesysteme.
(2) Produktpolitik: VirtuelleNemetzte Produktentwicklungsteams, Rapid Prototyping, Computer Aided Design, Computergestützte Analyse der Programmstruktur, Computergestützte Diagnose- und Wartungssysteme.
(3) Vertriebspolitik: Computergestützte Warenwirtschaftssysteme, Computer Aided Selling, Computergestützte Logistiksteuerung u. Auslieferungsplanung, Packmittelverfolgung/Tracking, Teleshopping, E-Commerce.
(4) Kontrahierungspolitik: Computergestützte Preisfindungsmodelle u. Preisstrategiesimulation, Simulationen für Preisdifferenzierungsmodelle u. Rabattmodell, Online-Kreditierungsrechner.
(5) Kommunikationspolitik: Computergestützte Ermittlung des Werbebudgets, Programme zur Mediaplanung, Direktwerbeaktionen, Online-Werbung, Infoterminals, Databased Marketing, unternehmensweite Wissensdatenbanken für den Bereich Customer Care.
(6) Marketing-Mix allgemein: Kundendatenbanken,
Produktdatenbanken, Planspiele/Marketingsimulationen. Hinweis Zu
den angrenzenden Wissensgebieten siehe Business Intelligence,
Customer Relationship Management (CRM), Data Warehouse, E-Commerce, Electronic-Procurement, ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning-Systeme), Handelsbetriebslehre, Internationales Marketing, Internet-Kommunikationspolitik, Kommunikationspolitik, Marketing, Grundlagen, Marktforschung, Medienökonomie, Mobile Commerce, Multi-Kanal-Dialog Marketing, Prozessmanagement, Vertriebspolitik, Vertriebswege, neuere, Workflow-Management.
Literatur: Theobald, Elke: Digitales Marketing. — In: Poth, L. (Hrsg.): Loseblattwerk Marketing, Luchterhand Verlag, Neuwied, Dezember 2000, S. 1 - 70. Schulmeyer, Christian; Theobald, Elke: Strategische Markenführung im Internet — E-Branding: Marken im Netz. — In: Gaiser, Brigitte; Linxweiler, Richard u.a. (Hrsg.) Praxisorientierte Markenführung. Neue Strategien, innovative Instrumente und aktuelle Fallstudien. Gabler Verlag 2005, S. 387-401; Merz, M: Electronic Commerce. Marktmodelle, Anwendungen und Technologien, Heidelberg 1999; Mülder, W.; Weis, C.: Computerintegriertes Marketing, Ludwigshafen 1996; Pispers, R.; Riehl, S.: Digital Marketing. Funktionsweise, Einsatzmöglichkeiten und Erfolgsfaktoren multimedialer Systeme, Bonn 1997.